Zu den größten Versursachern von lokaler Luftverschmutzung und Treibgasemissionen gehört der Verkehrssektor. Im Gegensatz zu Gewerbe, Dienstleistungen und Haushalten sind hier die Emissionen konstant geblieben. In der Schweiz beispielsweise lagen die CO2-Emissionen 2019 auf dem gleichen Niveau wie 1990.
Die ETH Zürich, die Universität Basel und die ZHAW haben in einem Forschungsprojekt das Mobilitätsverhalten in der Schweiz im Rahmen der MOBIS-Studie untersucht (Mobility Behavior in Switzerland). Der genaue Titel der Studie lautet: Empirical analysis of mobility behavior in the presence of Pigovian transport pricing.
3.700 Teilnehmende nutzten die Reisetagebuch-App “Catch My Day”, die von dem Potsdamer Start-up MOTIONTAG entwickelt wurde, zwischen September 2019 und Januar 2020. Getestet wurde die Wirkung von Pigovian Transport Pricing, d.h. von externen Kosten des Verkehrs in den Bereichen Stau, Klima und Gesundheit.

In Gruppe 1 bekam ein Drittel der Teilnehmenden ein Transportbudget, von dem die externen Kosten der durchgeführten Fahrten abgezogen wurden; blieb am Ende etwas von dem Budget übrig, durfte der Betrag behalten werden. In Gruppe 2 erhielt ein weiteres Drittel wöchentliche Informationen zu den von ihnen verursachten externen Kosten, es wurde jedoch nichts berechnet. Gruppe 3 bildete das letzte Drittel als Kontrollgruppe.
Die Smartphone-App “Catch My Day” ermöglicht es dem Nutzer, das eigene Mobilitätsverhalten mühelos festzuhalten. Die App erfasst verschiedene Sensordaten des Smartphones und nutzt einen von MOTIONTAG entwickelten Machine-Learning-Algorithmus, um mit Hilfe der Sensordaten das genutzte Verkehrsmittel vollautomatisch zu erkennen.
Der Algorithmus kann dabei mit einer Genauigkeit von mehr als 90% zwischen zehn verschiedenen Verkehrsmitteln unterscheiden. Darüber hinaus kann der Nutzer manuell aus zahlreichen weiteren Verkehrsmitteln wählen und für die aufgezeichneten Aufenthalte einen Wegezweck (wie z. B. “Arbeit”) angeben.
Die Aufzeichnungen werden automatisch in Etappen und Aktivitäten unterteilt und ermöglichen unter der Berücksichtigung strengster Datenschutzauflagen wertvolle Erkenntnisse über das inter- und multimodale Mobilitätsverhalten der Studienteilnehmer.

Die Forschungsgruppe kommt zu dem Ergebnis, dass das Pigovian Transport Pricing die externen Kosten um 5% reduziert hat. Wenn man private Kosten als Referenzpunkt nimmt, stiegen die Reisekosten in dem Experiment um 16%. Die Elastizität liegt bei -0.31, das bedeutet eine 10%ige Steigerung der Reisekosten durch das Transport Pricing resultiert in einer Reduzierung von 3,1% der externen Kosten. Die Senkung der externen Kosten ist eine Folge des Transportmittelwechsels vom Auto zu öffentlichem Nahverkehr und Fahrrad.
Die incentivierten Teilnehmenden der Gruppe 1 zeigen die deutlichsten Reaktionen. Besonders bei Strecken unter 5 km wurde das Auto durch einen langsameren Transportmodus ausgetauscht und die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs steigerte sich bei allen Strecken größer als 3 km. Im Bezug auf das Fahrrad lässt sich die größte Steigerung um 25% bei Strecken über 3 km nachweisen.
Bei Gruppe 2, die nur die Informationen zu den Kosten bekam, konnte keine große Änderung des Verhaltens festgestellt werden. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass der Anreiz von Einsparungen gekoppelt mit stetigen Informationen einen großen Motivator darstellt.

Das Experiment zeigt, dass das Pigovian Transfer Pricing funktionieren kann. Es gibt eine Reihe von Gründen, solch ein Preissystem einzuführen. In erster Linie würde es zu einer effizienten Nutzung des Verkehrssystems und damit zu einem geringeren Ressourcenbedarf führen. Es stellt nicht nur ein flexibles Werkzeug bei Staus dar, auch im Bezug auf die Herausforderungen im Bereich Klimawandel und Luftverschmutzung wäre ein solches Preissystem von Nutzen. Auch würde man unabhängiger von den Kraftstoffpreisen werden, durch die das Verkehrssystem mit finanziert wird und die sich mit der Entwicklung hin zur Elektromobilität auch verschieben werden. Außerdem weisen die Umfrageergebnisse auch darauf hin, dass es eine politische Mehrheit geben könnte, ein externes kostenbasiertes Preissystem einzuführen, sofern die Einnahmen zumindest teilweise zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten verwendet werden.
Ein Preisschema, wie es in diesem Experiment angewendet wurde, steht jedoch vor einigen Herausforderungen, wie z.B. fehlende soziale Akzeptanz und der technischen Beschränkungen im Bezug auf die Steuerfestsetzung in Echtzeit.
Insgesamt stellt das Forschungsteam fest, dass ein einfacheres System eingeführt werden müsste. Dies setzt jedoch weitere Studien voraus, die über einen längeren Zeitraum mit einer größeren Gruppe durchgeführt werden sollte.
Die vollständige Studie gibt es hier:
https://www.research-collection.ethz.ch/handle/20.500.11850/500100
MOTIONTAG bietet Einblicke in mehr als 80 einfache und aggregierte Mobilitätsindikatoren. Darüber hinaus wird unsere Technologie bereits als Grundlage für die Erhebung von Mobilitätsdaten für GfK, BVG, SBB, Swisscom, Infas und die ETH Zürich verwendet.
“Meine Gruppe beschäftigt sich seit ihrer Gründung im Jahr 1999 mit der Sammlung und Analyse von Reisetagebüchern. Im Laufe der Jahre ist die traditionelle Art der Erhebung durch Umfragen mit Papier und Bleistift weniger produktiv geworden, was die Datenqualität und den Rücklauf betrifft.
Es ist schwierig, sich zwischen den beiden wichtigsten passiven Alternativen, GSM- und GPS-Daten, zu entscheiden, da der Zugang, die Kosten und das Datenvolumen so stark variieren. Hier machen die Fähigkeiten und die Qualität der bewährten Technologie von MOTIONTAG die Wahl oft leicht. Wir integrieren sie derzeit in eine neue Zeitbudget-App, damit wir uns auf die neuen Erhebungselemente konzentrieren können: Zeitnutzung und Ausgaben.”
– Prof. Dr. Kay Axhausen – Professor und Lehrstuhlinhaber für Verkehrsplanung an der ETH Zürich
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